Gestalten mit Schwemmholz (Treibholz)
1.0.0 Schwemmholz / Treibholz sammeln
Es ist mal wieder Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang. Diesmal nehmen wir einen Stoffbeutel oder einen Korb mit.
Besser gleich den Bollerwagen.
Unser Ziel ist diesmal die Weser oder ein Bachlauf. Wir wollen Schwemmholz / Treibholz sammeln um daraus dekorative Gebilde zu (er-)schaffen.
2.0.0 Säubern, Waschen
Vor Ort entfernen wir von dem gesammelten Schwemmholz den groben Schmutz. Abschaben, abklopfen, in einer Pfütze abwaschen – das war es schon. Zuhause sollten wir das schmutzige Holz gründlich reinigen. (Gartenschlauch / Hochdruckreiniger)
In der Dusche oder Badewanne geht es auch. Sieb auf dem Ablauf nicht vergessen!
Ein wenig Waschpulver kann nicht schaden. Es geht auch, wenn wir den Schmutz nur trocknen lassen und ihn dann, vor der Bearbeitung mit einer weichen Drahtbürste abbürsten, abschleifen. Allerdings verbleibt bei dieser Methode noch viel Schmutz in den Poren und feinen Strukturen, der das Erscheinungsbild trübt.
Die Nassreinigung ist zu bevorzugen.
3.0.0 Trocknen
Treibholz ist in den seltensten Fällen trocken wenn wir es finden. Natürlich sind im Sommer auch Stücke zu finden, die sich sofort weiterverarbeiten lassen. Aber meistens liegen die Hölzer noch im Wasser. Aber das ist kein Problem.
Der Vorteil von Schwemmholz: Es ist “totes Holz”. Die Baumsäfte und Holzinhaltsstoffe wie z.B. Lignin sind durch das lange Liegen im Wasser aus dem Holz
„gewaschen“ geworden. Darum ist trockenes Schwemmholz auch sehr leicht. Nach der gründlichen Reinigung legen wir das Schwemmholz an einem schattigen, regengeschützten Ort einige Tage zum Trocknen
aus. Die Jahreszeit spielt dabei keine Rolle. Wärme beschleunigt natürlich die Trocknung. Größere Stücke brauchen zum Trocknen zwar manchmal etwas länger, aber im Vergleich zum Frischholz, das
mehrere Jahre trocknen muss, geht es mit Treibholz sehr schnell.
4.0.0 Benötigtes Werkzeug
An Werkzeug benötigen wir nicht viel.
Eine kleine Säge (z.B. Puksäge, Japansäge)
Ein scharfes Messer (z.B. Teppichmesser)
Schleifpapier. (Schmirgelpapier)
Holzleim, Heizklebepistole, Draht, Bindfaden, alte Nägel…
5.0 0 Ideen, was ich mit dem Holz machen kann
Wir haben unser Schwemmholz auf der Arbeitsfläche ausgebreitet.
Trinken eine Tasse Tee oder Kaffee …
und lassen die oft skurrilen Formen auf uns wirken.
Bei den üblichen Holzarbeiten haben wir eine feste Vorstellung von dem was gestalten möchten.
Hier ist es genau umgekehrt.
Das Schwemmholz „spricht“ zu unserer Phantasie:
„Ich bin ein Troll, erwecke mich zum Leben.“
„Ich bin ein Vogel - gib mir Flügel - ich will fliegen.“
5.1.0 Einfacher Rahmen aus Schwemmholz
Anhand von Bildern, in chronologischer Reihenfolge, werden einige Möglichkeiten dargestellt wie die Schwemmholz Stöckchen verbunden werden können. Der fachliche Begriff für Verbindungsstellen ist „Knoten“.
Gezeigt werden: Überblattung, Verleimung, Schnürung, Nagelverbindung mit Holz- und Metallnägeln und die Verbindung mit Heizkleber.
Die Verbindung mit Heizkleber hat das schlechteste Ergebnis gezeigt.
Der Kleber verläuft, schmiert, zieht Fäden. Das wirkt sich negativ auf die folgende Oberflächenbehandlung aus.
6.0.0 Oberflächenbehandlung
Jetzt wollen wir unsere Kreationen oberflächenbehandeln. Hierzu benötigen wir ein wenig Holzbeize, Leinölfirnis und Terpentin-Ersatz. Zuerst beizen wir mit Holzbeizen. Danach folgt die Endbehandlung mit Leinölfirnis.
6.1.0 Das Holz beizen
Uns interessiert hier die Anwendung der Beizen zur:
- Betonung und Verstärkung der natürlichen Farbtöne
- Betonung von Kontrasten in der Holzmaserung
Ist noch etwas Tee oder Kaffee übrig?
Wenn nicht, kochen wir uns einen starken schwarzen Tee. Ein Esslöffel Tee auf eine Tasse. Lassen den Tee lange ziehen und fertig ist unsere einfache Beize. Diese
Beize ist sehr gerbstoffhaltig und überdeckt auch etwas die natürlichen Farbtöne unserer Schwemmholz – Objekte.
Es gibt im Handel speziell für Holz entwickelte Beizen. In gebrauchsfertiger, flüssiger Form und als Pulver.
Pulver Wasserbeizen werden in heißem Wasser gelöst. Pulver Spiritusbeizen werden in 96% Spiritus oder in lösungshaltigen Klarlacken gelöst. Spiritusbeizen haben die Vorteile, dass sie ein klares Beiz-Bild ergeben und sehr schnell trocknen. Die Nachteile: Sie sind im Handel sehr schwer zu erhalten. Sie sind sehr teuer.
Daher nehmen wir, wenn es nicht der Tee ist, die Wasserbeize.
Die empfohlenen Farbtöne für unsere Zwecke ist Eiche-hell und Nussbaum-hell.
Nach dem lösen nach Herstellerangaben, in heißen Wasser, ist die Beize gebrauchsfertig.
Auf die üblichen Vorbehandlungen wie Wässern und Schleifen der Hölzer verzichten wir völlig.
Wir haben gewässerte Hölzer. Geschliffen wird auch nicht. Wir wollen ja die Strukturen und Schrunden erhalten.
Die Beize wird mit einem Pinsel aufgetragen. Meine Erfahrung ist, dass sie auf dem Schwemmholz nicht gut einzieht und auf der Oberfläche „stehenbleibt“. Nach
einigem reiben und tupfen mit dem Pinsel geht es aber doch.
Ein kleiner Trick: Wenn wir etwas Salmiakgeist in die Beize schütten, zieht sie sehr schnell ein.
Oh, die Flasche mit dem Salmiakgeist ist leer. – War bestimmt wieder die Katze….
Dann nehmen wir stattdessen ein paar Tropfen Spülmittel. Damit geht es fast genauso gut.
Der entstehende Schaum fällt auf dem Holz schnell zusammen. Die Beize wird mehrfach „satt“ auf die Hölzer aufgetragen.
Vor den weiteren Arbeitsschritten muss das Holz 12-24 Stunden trocknen.
6.2.0 Oberflächen - Behandlung
Wir nehmen Leinöl/Leinölfirnis, um die fertig gestalteten Objekte aus Schwemmholz zu festigen und die Struktur des Holzes hervorzuheben. Fachleute bezeichnen diesen Vorgang mit dem Begriff: ANFEUERN.
Begriffsklärung: Leinöl und Leinölfirnis
Leinöl ist das reine Öl aus den Leinsamen.
Leinölfirnis ist „gekochtes“ Leinöl mit Zusätzen von Sikkativen (Metallsalzen). Durch die Erhitzung und die Zusätze trocknet Leinölfirnis wesentlich schneller als Leinöl.
Für unsere Zwecke ist Leinölfirnis zu bevorzugen.
Die günstigsten Angebote liegen bei etwa 3,00 € pro Liter.
Leinölfirnis ist sehr geruchsintensiv!
Die Verarbeitung und Trocknung sollte an einem gut gelüfteten Ort erfolgen.
Idealerweise unter einem Witterungsschutz im Freien.
Leinöl ist ein oxidativ trocknendes Öl und härtet völlig aus. Der Trocknungsvorgang oxidativ trocknenden Öle, beruht im Wesentlichen auf den in ihnen gelösten, ungesättigten Fettsäuren, die am (mit) Luftsauerstoff oxidieren und aushärten.
Hier muss auf die berühmt, berüchtigte SELBSTENTZÜNDUNG hingewiesen werden.
Mit diesen Ölen getränkte Pinsel, Schwämme und Lappen können sich unter ungünstigen Umständen selbst entzünden. Begünstigt wird dies, wenn sie an einen warmen Ort, im Sonnenschein liegen.
Oder der mit Leinöl getränkten Lappen, zusammengeballt abgelegt wird.
Durch die sehr große Oberfläche der Textilfaser kann die Reaktionstemperatur beim Trocknen (Oxidation: Fettsäure - Sauerstoff) so hoch werden, dass die Flammtemperatur überschritten wird. Der Lappen fängt an zu brennen.
Um dies zu verhindern, waschen wir das Öl mit Wasser und Seife aus den Werkzeugen und lassen sie trocknen. Den Lappen, ausgebreitet.
Bei der Anwendung von Leinöl-Firnis wird noch zwischen Halböl, Vollöl und Standöl unterschieden.
Halböl ist eine Mischung von Leinöl-Firnis und Terpentinöl (Terpentinersatz) 1:1.
Vollöl ist unverdünnt
Standöl (Siehe: Exkurs am Ende des Artikels)
6.2.1 Grundierung
Zur Grundierung der Hölzer verwendet wir Halböl. Durch die sehr flüssige Konsistenz, zieht es tief in die Holzporen ein und festig durch die Trocknung das Holz. Der Auftrag erfolgt mit dem Pinsel.
Bei unserem Schwemmholz werden wir etwa dreimal grundieren müssen, um eine ausreichende Festigkeit zu erzielen.
Grundierungen dürfen nicht „nass in nass“ aufgetragen werden. Nach jeder Grundierung muss der Auftrag 12-24 Stunden trocknen.
6.2.2 Endbehandlung mit Leinöl-Firnis
Wenn die grundierte, trockene Holzoberfläche anfängt ganz leicht zu glänzen, ist es Zeit das Holz mit Vollöl zu behandeln. Der Auftrag erfolgt auch hier mit dem Pinsel.
Nicht eingezogenes Leinöl wird mit dem Pinsel nach ca. 20 Minuten eingerieben/abgerieben.
Je nach dem Ergebnis und dem persönlichen empfinden kann dieser Vorgang mehrfach wiederholt werden.
Auch hier gilt, nach jedem Auftrag die 12-24 stündige Trockenzeit einhalten.
Nach dem letzten Leinölauftrag wird es etwa 15 Tage dauern, bis das Leinöl ohne zu „kleben“ getrocknet ist.
Ein kleiner Exkurs zu oxidativ trocknenden Ölen.
Bei oxidativ trocknenden Ölen wird unter halbtrocknenden und trocknenden Ölen unterschieden.
Halbtrocknende Öle haben nach dem Trocknungsvorgang eine zäh-elastische Konsistenz.
Trocknende Öle sind nach dem Trocknungsvorgang hart und spröde.
Die wissenschaftlich/technische Unterscheidung richtet sich nach der Menge der gelösten, ungesättigten Fettsäuren. Die Menge der Fettsäuren wird mit einer Jod-Zahl angegeben.
Jodzahl |
Typ der Öle/Fette |
Beispiele |
< 10 |
NICHT TROCKNENDE
|
Bienenwachs, Kokosöl, Kokosfett |
10 - 20 |
Palmkernöl, Babassuöl |
|
20 - 50 |
Rindertalk, Butter, Kakaobutter |
|
50 -100 |
Mandelöl, Olivenöl, Avocadoöl, Jojobaöl, Palmöl, Sheabutter |
|
100 - 130 |
HALB TROCKNENDE |
Sonnenblumenöl, Maiskeimöl, Rapsöl, Sesamöl, Weizenkeimöl |
130 - 170 |
Wallnussöl, Hanföl, Diestelöl, Mohnöl, Traubenkernöl, Sojaöl |
|
> 170 |
TROCKNENDE |
Leinöl, Tungöl, Perillaöl, Isanoöl, Stillingiaöl, Lallemantiaöl |
Erfahre „alte“ Meister aus Kunst und Handwerk mischen sich die Öle zur Oberflächenbehandlung selber an. Es ist eine individuell abgestimmte Mischung aus nicht trocknenden, halb trocknenden und trocknenden Ölen.
Uns soll hier die Verwendung von Leinölfirnis genügen.
Zur Vervollständigung: Standöl ist Leinöl das viele Jahre in einem offenen Gefäß gelagert wird.
Das Gefäß wird nur mit einem Textiltuch abgedeckt. Schmutz und Staub gelangen so nicht in das Öl.
Es wird mehrmals in der Woche umgerührt.
Der Luftsauerstoff oxidiert mit den gelösten, ungesättigten Fettsäuren.
Das Öl wird im Laufe der Jahre immer fester und zäher. Die Fachleute sprechen hier von „fett“.
Früher nahm Standöl im Malerhandwerk eine wichtige Rolle ein. Zur Herstellung von Farben.
Heute findet Standöl unter anderem in der Baudenkmalpflege Verwendung.
Holger Student